Neuer Weg: Kein Durchkommen für die Feuerwehr
Aufregung am Montagnachmittag in Nordens Einkaufsstraße Neuer Weg. Die Freiwillige Feuerwehr Norden rückt mit Blaulicht und Martinshorn an und fährt in die Fußgängerzone. Doch die Feuerwehr bleibt mitten im Neuen Weg stecken. Verkaufsstände, Markisen, Sonnenschirme, Bestuhlung und nicht zuletzt jede Menge ignorante Menschen die die Durchfahrt behindern. Als es gar nicht mehr weitergeht, müssen die Feuerwehrleute sogar absteigen und sich den Weg selbst freiräumen.
In einem Wohn- und Geschäftshaus hatte ein Heimrauchmelder in einer Dachgeschosswohnung ausgelöst. Ob es dort wirklich brennt, kann bei Eingang des Notrufst niemand sagen. Die Feuerwehr nimmt den Alarm in jedem Fall ernst, denn die Trefferquote von Rauchmeldern in privaten Wohnungen ist nicht gerade niedrig.
Das erste Löschfahrzeug und die Drehleiter nehmen den direkten Weg von der Osterstraße und fahren in den Neuen Weg ein. Ein zweites Löschfahrzeug fährt durch die Doornkaatlohne, um das Einsatzobjekt entweder von hinten zu erreichen oder aber den Neuen Weg von anderer Seite anzufahren. In der Vergangenheit hat sich diese Taktik als sinnvoll erwiesen. Die Bebauung ist dort sehr eng. Einige Gebäude messen eine Tiefe von bis zu 70 Metern und sind teilweise sehr alt. Die Zugänge sind zu unterschiedlichen Seiten angeordnet.
Die Norder Feuerwehr hat in den vergangenen Jahren kaum gute Erfahrungen auf dem Neuen Weg gemacht. Vom Mülleimerbrand bis hin zum Brand ganzer Geschäftshäuser hat es dort bereits alles gegeben. In keiner Straße in Norden gab es in den letzten 20 Jahren so viele Großbrände, wie im Neuen Weg. Erst vor einem Jahr brannte dort der Dachstuhl über einem Bekleidungsgeschäft vollständig nieder, erinnert sich Nordens Stadtbrandmeister, Thomas Kettler. Nur durch einen massiven Großeinsatz der Feuerwehr konnten damals Nachbargebäude gerettet werden. Auch da gab es erhebliche Platzprobleme.
Am Montag war es wieder eng, an einigen Stellen zu eng. Einige Geschäftsleute reagieren vorbildlich und schaffen Platz, sobald sie das Martinshorn hören. Bei anderen Gewerbetreibenden entsteht der Eindruck von totaler Ignoranz. Ihre Markisen ragen weit in die Fahrbahn und werden zum Hindernis für die Einsatzfahrzeuge. Gleiches gilt für Werbeschilder und Warenaufsteller. Den Feuerwehrfahrzeugen drohen bei einem Zusammenstoß nicht nur optische Schäden, sondern auch ein Totalausfall ist möglich. „Stößt der empfindliche Rettungskorb der Drehleiter gegen ein festes Hindernis, kann dies zu Funktionsstörungen führen“, so der Stadtbrandmeister. „Das Hubrettungsgerät fällt somit aus“. Die Fußgängerzone gleicht für die Feuerwehr einem Hindernisparcours. Feuerwehrzufahrten müssen mindestens drei Meter breit sein und das bis in eine Höhe von dreieineinhalb Metern. Dieser Freiraum fehlte am Montag mehrfach.
Zu den Hindernissen kommen auch die vielen Menschen, die in der Fußgängerzone flanieren oder Speisen verzerren. Einige verfallen regelrecht in Schockstarre. „Die Leute verharren wie angewurzelt auf ihren Stühlen und klammern sich an ihren Eisbecher“, berichtet Thomas Weege, stellvertretender Stadtbrandmeister in Norden. Auf die Idee selbst Platz zu schaffen, kommen die wenigsten. Dabei rollen die großen Einsatzfahrzeuge nur wenige Zentimeter an ihnen vorbei. Montag wäre beinahe ein Hund unter die Räder gekommen, weil sein Besitzer ihn nicht bei Seite geführt hat. So berichtete es einer der Einsatzfahrer an die Führungskräfte. Es scheint so, als wenn es einigen wirklich egal ist. Andere Leute werden übermütig und meinen sich mit ihren Fahrrädern und Rollatoren in den Engstellen noch an den Fahrzeugen vorbeizwängen „Ich muss da ja nur eben schnell durch“, diesen Spruch hören die Einsatzkräfte immer und immer wieder. Als Feuerwehr ist man sprachlos und kocht innerlich. „Den Maschinisten rinnten die Schweißperlen von der Stirn, nachdem sie sich bis zur Einsatzstelle durchgekämpft haben“, so Weeges Beobachtung als die Fahrzeuge mit Verspätung eintrafen.
Die Behinderungen am Montag haben zu mehrminütigen Verzögerungen geführt. Das zuletzt ausgerückte Fahrzeug war zwei Minuten eher am Einsatzort als das erstausrückende Fahrzeug. Somit ist von drei bis vier Minuten Zeitverlust auszugehen. Für jemanden der in einem brennenden Gebäude eingeschlossen ist, ist das eine Ewigkeit und möglicherweise zu viel.
Nachdem der Einsatz sich als Fehlalarm herausgestellt hatte und die Einsatzkräfte ihr Material wieder verstaut hatten, wendete die Drehleiter am Ende der Fußgängerzone und nahm den beschwerlichen Weg erneut auf sich. Diesmal jedoch ohne Martinshorn. Thomas Weege wollte mit den Gewerbetreibenden das Gespräch suchen und für die Problematik sensibilisieren. Er ging in die Ladenlokale und bat um Gehör. Die Resonanz war jedoch ernüchternd. Die nachgestellte Durchfahrt wurde mit vielen Fotos dokumentiert und am selben Abend noch an die Stadtverwaltung übermittelt.
Die Feuerwehr hat Verständnis für die Geschäftsleute, dass sie den Platz vor ihren Läden ausnutzen wollen. In der Vergangenheit hat die Feuerwehr auch immer wieder Zugeständnisse gemacht, wenn es beispielsweise bei Veranstaltungen um Aufstellflächen für Buden oder zusätzliche Verkaufsstände ging. Bedingung ist immer, dass die erforderlichen Durchfahrtsbreiten durch die Geschäftsleute selbst oder ihr Personal im Bedarfsfall ohne großen Aufwand und binnen kürzester Zeit hergestellt werden können. Wenn dieser Entgegenkommen nicht mehr funktioniert und die Folgen durch ignorante Personen weiter verstärkt werden, dann kann die Feuerwehr zukünftig an der einen oder anderen Stelle ihre Zustimmung nicht mehr geben.
Für die Zukunft erhoffen sich Kettler und Weege ein Einsehen sowohl bei den Geschäftsleuten, aber ganz besonders auch bei den Passanten. Schließlich soll niemand körperlich oder materiell, zu Schaden kommen.